Rhein-Neckar-Zeitung, 19. 5. 2005

Gabelweihe heimtückisch vergiftet

Greifvogel verendete an E 605-Köder - NABU erstattete Anzeige und setzte 500 Euro Belohnung aus – „Hohe Dunkelziffer“

Von Peter Lahr

Neckarburken. Einen toten Greifvogel fand eine Spaziergängerin am 9. April auf dem Neckarburkener Gewann Orles unweit des Knopfhofes. Ihren Verdacht, dass der Greifvogel, ein Roter Milan, der umgangssprachlich auch „Gabelweihe“ genannt wird, keines natürlichen Todes starb, fanden die alarmierten Naturschützer letzte Woche schriftlich bestätigt: Eine toxikologische Untersuchung im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg ergab, dass der gefährdete Vogel mit dem E 605-Gift Parathion vergiftet wurde, einem Gift, das seit drei Jahren nicht mehr auf dem Markt ist. Der Naturschutzbund Mosbach (NABU) handelte und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Für Hinweise, die zur Überführung des Täters führen, setzten die Naturschützer eine Belohnung von 500 Euro aus.

Am 9. April dieses Jahres erhielt Peter Baust, Vorsitzender des NABU Mosbach einen Anruf vom Knopfhof. Eine Spaziergängerin hatte dort einen Roten Milan abgegeben, den sie unweit des Hofes, auf dem Neckarburkener Gewann Orles gefunden hatte.

NABU-Mitglied Heinz Nickolaus holte den Kadaver ab und schöpfte Verdacht. Der Rotmilan, der mit seiner Flügelspannweite von 150 Zentimetern größer als ein Mäusebussard ist, wies keine sichtbaren äußeren Verletzungen auf. Berichte aus den vergangenen Jahren, die das Gebiet immer wieder mit Funden von toten Greifvögeln in Verbindung brachten, kamen ihm in den Sinn. Auch von zwei vergifteten Hunden erzählt man sich in Neckarburken. Vor einiger Zeit hatte Heinz Nickolaus selbst unterwegs ein vergiftetes Fleichstück gefunden: dank der blauen Farbe konnte er schnell den E 605-Giftstoff erkennen. Tote Schmeißfliegen neben dem Fleischstück deuteten auf die hohe Toxizität des auch als Kontaktgift wirksamen Stoffes.

So schalteten die Naturschützer diesmal gleich die Polizei ein. Um Sicherheit über die Todesursache zu erhalten, sandten sie den toten Greif nach Heidelberg, an die Außenstelle des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes. Weder histologisch, noch bakteriologisch oder parasitologisch konnten die Heidelberger Anomalien feststellen. Probenmaterial wurde nach Freiburg in das Hauptlabor gesandt. Anhand des Kropf- und Darminhalts konnte mittels Dünnschichtchromatographie und Hochdruckflüssigkeitschromatographie der Wirkstoff Parathion-Ethyl als Todesursache sicher nachgewiesen werden. „Parathion gehört zur Gruppe der Phosphorsäureesther-Insektizide, die auch für den Menschen und für Säugetiere hohe akute Toxizität aufweisen“, schreibt der Untersuchungsbericht. Bis Anfang 2002 war er unter verschiedenen Namen – der bekannteste lautete „E 605“ - im Handel. Hernach wurde die Zulassung dieser Präparate nicht mehr verlängert. Aus Warngründen waren die Mittel kräftig blau gefärbt.

Dass der Rotmilan Opfer eines gezielt eingesetzten Giftköders war, davon ging der untersuchende Lebensmittelchemiker ebenfalls aus.

Für NABU-Vorsitzenden Peter Baust eine unverständliche Tat, die nur durch „reine Bösartigkeit“ motiviert sein könne. Dankbar sind die Naturschützer dem untersuchenden Labor, das auf jegliche Bezahlung verzichtete. Mittlerweile erstattete NABU Mosbach eine offizielle Anzeige gegen Unbekannt. Die auf die Ergreifung des Giftmörders ausgesetzte Belohnung von 500 Euro versteht Baust vor allem als abschreckende Maßnahme. Denn er geht davon aus, dass es in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer gebe. Letztlich wurde der Greifvogel nur entdeckt, da Anfang April die Felder noch kahl waren. Zudem betont Baus die Verantwortung, die wir in Deutschland gerade dem Rotmilan gegenüber haben. Der Rotmilan , der wegen seines tiefgegabelten „Schwalbenschwanzes“ hierzulande auch gerne „Gabelweih“ genannt wird, ist zwar in ganz Mitteleuropa verbreitet, aber schwerpunktmäßig in Deutschland. „Das ist so etwas wie ein weißes Nashorn in Kenia“, erläutert Baust, „wenn du den tot vom Acker holst, dann blutet dir das Herz.“

 

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